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U-haft Und Unschuldsvermutung

Hans-Ullrich PAEFFGEN

A. GRUNDPROBLEMATIK

1) Die Anordnung von pre-trial detention (Untersuchungshaft U-Haft) stellt, neben der einstweiligen Unterbringung zur Überprüfung der Schuldfähigkeit (§ 126a StPO),1 den gravierendsten Eingriff dar, der der Strafjustiz vor Verhängung einer Strafe zu Gebote steht. Sie wird bisweilen, namentlich von Erstbetroffenen, wegen des Moments der Ungewißheit, was um einen vor sich geht und wie lange jene dauern wird, oft als noch belastender empfunden als die Freiheitsstrafe selbst.2 Gemessen an dem akribischen Aufwand, den Gesetzgeber und Rechtsprechung betreiben, um die Voraussetzungen für den "Eingriff ‚Strafe'" zu spezifizieren, wirken die vergleichbaren Tatbestandsmerkmale für die Haft-Anordnung im deutschen Recht geradezu ärmlich.3 – Sichten wir den gesetzlichen Regel-Bestand, so ergibt sich zunächst eine Zweiteilung der Haftbefehle auf ihrer Voraussetzungsseite in solche der Verfahrens- und solche der Vollstreckungs-Sicherung. Die Unterteilung hängt formal von der prozessualen Lage ab, in der sie erlassen werden können, materiell von der Aufgabe, die die Haft im Gesamtsystem prozeßförmiger Bewältigung von Straftaten erfüllen soll: Erstere sollen – neutral formuliert – die Durchführbarkeit eines Prozesses gewährleisten, letztere den rechtskräftigen Strafausspruch umsetzen helfen (§ 457).4 Aus Zeitgründen beschränke ich mich auf die ersteren.

Die Unschuldsvermutung, die bemerkenswerterweise im deutschen Prozeßrecht ebenso wenig ausdrücklich ausgesprochen wird wie im Grundgesetz, wird nach ganz h.M. gleichwohl der Verfassung vindiziert (Art. 1 I i.V.m. 20 III GG).5 Sie ist überdies in Art. 48 I EuGRCharta positiviert. Was sie, rechtlich genau aussagt, läßt sich aber selbst der einfachgesetzlichen Regelung des Art. 6 II EMRK nur in einem sehr schlichten Kern entnehmen: "Jede Person, die einer Straftat angeklagt ist, gilt bis zum gesetzlichen Beweis ihrer Schuld als unschuldig." Da diese Norm zumindest qua EMRK auch in der Türkei gilt, erspare ich mir generalisierende Deutungen, namentlich solche, die der EGMR dieser Norm entnimmt.

Ich füge nur zwei Deutungen bei, die in Deutschland diskutiert werden, einmal die von Kollegen Stuckenberg:6 Er hat die Unschuldsvermutung in den verschiedensten Rechtsordnungen in recht enzyklopädischer Weise untersucht, und läßt für sie aufgrund dieser umfassenden Analyse einen nur recht bescheidenen Regelungsgehalt übrig:7 Er entnimmt dem Regelungsgehalt der Vermutung lediglich ein Verbot, das Verfahren durch (staatliches) Verhalten zu desavouieren,d.h. die Unschuldsvermutung garantiere nur das Verfahren selbst im Sinne eines ergebnisoffenen Entscheidungsfindungsvorgangs. Der Ansatz bestreitet dabei nicht, daß z.B. Regelungen über die Beweislastverteilung, das Verbot von Schuldvermutungen oder Anforderungen an das Beweismaß mit der Unschuldsvermutung ausgedrückt, insbesondere positiviert werden können, sog. "instrumentaler Gebrauch" der Unschuldsvermutung.8 In die Vermutungsform könne vielmehr jede beliebige normative Anforderung an die Legalität oder Legitimität der Strafverhängung als negative Bedingung aufgenommen werden, wie sich an der ungewöhnlichen Vielfalt und Widersprüchlichkeit der Interpretationsvorschläge zeige (die Spannweite reicht von "Absurdität" bis zum strafprozessualen Allheilmittel9). Bestritten wird aber, daß solche Reformulierungen im Gewand der Unschuldsvermutung irgendetwas zur Herleitung solcher Anforderungen beitragen können. Aus der formalen Vermutungsstruktur selbst10 folge nichts für ihren Inhalt (z.B., ob der Schuldbeweis durch Gottesurteil, Legalbeweis, conviction intime o.a.m. zu erbringen sei). Dieser bedürfe vielmehr selbständiger Begründung. Versuche einer materiellen Deutung der Unschuldsvermutung unter Rückgriff auf ein bestimmtes Menschenbild, das Schuldprinzip o.ä., seien unzulänglich.11