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Das Akteneinsichtsrecht der Verteidigung Bei Vollzogener Untersuchungshaft (§ 147 Iı Stpo)

Osman İSFEN

Das Prinzip der Waffengleichheit gehört zu den Kernprinzipien eines rechts-staatlichen und menschenrechtsangemessenen Strafverfahrens. Das Recht der Verteidigung auf Akteneinsicht ist eine wesentliche Ausprägung dieses Grundsatzes. Die immanente Bedeutung der möglichst frühzeitigen Aktenkenntnis lässt sich damit erklären, dass die Strafverfolgungsbehörden als die das Strafverfahren einleitenden und gestaltenden Instanzen stets einen Wissensvorsprung haben, dem die Verteidigung hinterherläuft. Ohne Einsicht in die Verfahrensakten kann sich der Beschuldigte nur spekulativ verteidigen; bildlich gesprochen, schießt er im Dunkeln mit geschlossenen Augen auf das Ziel, in der Hoffnung, dass er es vielleicht doch treffen könnte. Die ganze Problematik potenziert sich, wenn Untersuchungshaft gegen ihn angeordnet wird: Er ist in dieser Situation – bei Geltung der Unschuldsvermutung – seiner Freiheit gänzlich beraubt aufgrund eines (freilich dringenden) Verdachts und weiß nicht, was ihm konkret vorgeworfen wird und wie er sich dementsprechend dagegen zur Wehr setzen kann.

Dieser typisierte Ausgangsfall erklärt, warum der deutsche Gesetzgeber in § 147 I StPO die uneingeschränkte Akteneinsicht als Regel normiert hat. Auf der anderen Seiten ist nicht zu leugnen, dass es Verfahren geben kann, deren Inhalt dem Beschuldigten erst einmal nicht zur Kenntnis gelangen darf, weil dadurch die Ermittlung der materiellen Wahrheit ins Stocken geraten könnte. Daran wäre etwa dann zu denken, wenn ein komplexer Sachverhalt aufgeklärt werden muss, an dem mehrere Personen beteiligt sind, von denen eine Verdunkelung der Beweislage zu befürchten ist. Um diesem unerwünschten Zustand einer ineffektiven Strafverfolgung vorzubeugen, sieht § 147 II StPO die Möglichkeit einer Beschränkung der Akteneinsichtsgewährung bis spätestens zum Abschluss der Ermittlungen vor, wenn und soweit der Untersuchungszweck dadurch in Gefahr geraten kann. Davon ausgenommen und daher stets zur Einsicht zugänglich sind lediglich Niederschriften über die Vernehmung des Beschuldigten und über sol-che richterlichen Untersuchungshandlungen, bei denen dem Verteidiger die Anwe-
senheit gestattet worden ist oder hätte gestattet werden müssen, sowie Gutachten von Sachverständigen (§ 147 III StPO). Mitten in diesem Spannungsfeld des grundsätzlich zeitlich wie inhaltlich unbeschränkten Akteneinsichtsrechts und dem konkret vorliegenden Geheimhaltungsinteresse der Strafverfolgungsbehörden bewegt sich der Sonderfall, in dem Untersuchungshaft gegen den Beschuldigten angeordnet wird und dabei die Frage im Raum steht, ob und inwieweit der Verteidigung der Akteninhalt zugänglich zu machen ist.

Die deutsche Rechtsprechung sah ursprünglich keinen Anlass, die darge-stellte Konstellation einer speziellen Würdigung zu unterwerfen und beanstandete 
demgemäß die Geheimhaltungsentscheidungen bei gleichzeitig vollzogener Untersuchungshaft nicht. Eine Weile blieb sie sogar bei dieser Haltung auch nach der Lamy-Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR), nach der in solchen Fällen das Recht auf Akteneinsicht nicht gänzlich eingeschränkt werden darf; vielmehr sind die Strafverfolgungsbehörden angehalten, der Verteidigung Kenntnis von solchen Aktenteilen zu verschaffen, die der Haftentscheidung zugrunde liegen, damit sie den Beschuldigten effektiv gegen den erhobenen Vorwurf verteidigen kann (Lamy vs. Belgien, Urteil vom 30.03.1989, Individualbeschwerde Nr. 10444/83, StV 1993, 283). Spätere Versuche der deutschen Gerichte, eine Akteneinsicht bei Straftaten gegen öffentliche Rechtsgüter zu versagen (Garcia Alva vs. Deutschland, Urteil vom 13.02.2001, Individualbeschwerde Nr. 23541/94, NJW 2002, 2018) oder auf mündliche Mitteilungen zu beschränken (Lietzow vs. Deutschland, Urteil vom 13.02.2001, Individualbeschwerde Nr. 24479/94, NJW 2002, 2013; Schöps vs. Deutschland, Urteil vom 13.02.2001, Individualbeschwerde Nr. 25116/94, NJW 2002, 2015), erfuhren eine konsequente Ablehnung durch den EGMR wegen Verstoßes gegen Art. 6 I und 5 IV der Europäischen Menschenrechtskonvention. Selbst fast 20 Jahre nach der Lamy-Entscheidung erfolgte eine Verurteilung Deutschlands mit Verweis auf die erwähnte EGMR-Rechtsprechung (Mooren vs. Deutschland, Urteil vom 09.07.2007, Individualbeschwerde Nr. 11364/03, StV 2008, 475).