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Der Notstand Als Grenze Des Strafrechts (mit Rechtsvergleichenden Überlegungen Zum Türkischen Strafrecht)

Jan C. JOERDEN

I.

„Was für ein Unterschied ist zwischen rechtfertigen und entschuldigen?“ So fragte am 14. August des Jahres 1800 der in Frankfurt an der Oder geborene Dichter und Dramatiker Heinrich von Kleist in einem Brief seine 19-jährige Verlobte Wilhelmine von Zenge.1 Der 23-jährige Kleist studierte damals u.a. Rechtswissenschaften an der Viadrina in Frankfurt an der Oder. Ob und wie Wilhelmine auf diese Frage geantwortet hat, ist leider nicht bekannt, weil uns ihre Antwortbriefe nicht überliefert sind. Würde heute in Deutschland ein Jurastudent die Frage „Was für ein Unterschied ist zwischen rechtfertigen und entschuldigen?“ an eine Jurastudentin richten, bekäme er vermutlich schnell eine Antwort, verbunden mit der Gegenfrage, ob er sich sol-che einfachen Fragen nicht auch selbst beantworten könne. Und tatsächlich ist diese Frage zumindest auf den ersten Blick eine einfache juristische Frage, die allerdings zurzeit von Kleist noch nicht so klar beantwortet werden konnte, wie man dies heute kann. Denn zu Kleists Zeit war auch unter Juristen der Unterschied zwischen Recht-fertigung und Entschuldigung noch keineswegs so deutlich ausgearbeitet wie heute.

Heute würde ein Jurist in Deutschland auf die genannte Frage antworten, dass es einerseits Gemeinsamkeiten und andererseits Unterschiede zwischen den Gründen für eine Rechtfertigung und den Gründen für eine Entschuldigung gibt, dass man aber beide Ebenen – Rechtfertigung und Entschuldigung – durchaus voneinander trennen könne und auch müsse. Um zunächst die Gemeinsamkeiten zu nennen: Beide Gründe sind – zumindest im Strafrecht – Einwendungen eines Beschuldigten gegen die ihm gegenüber erhobene Beschuldigung, sich strafbar gemacht zu haben. Bei-
de Einwendungen führen, wenn sie zu überzeugen vermögen, dazu, dass der Be-schuldigte nicht bestraft wird. Wegen dieser offenkundigen Gemeinsamkeit zwischen Rechtfertigungs- und Entschuldigungsgründen gibt es bekanntlich Rechtsordnungen, in denen zwischen Rechtfertigung und Entschuldigung nicht so deutlich differenziert wird wie in Deutschland.2 Hierzu zählen etwa die anglo-amerikanischen Rechtsordnungen, aber auch – wenn ich das richtig sehe – die türkische Strafrechtsordnung. So differenziert das türkische Strafrecht nicht explizit zwischen Rechtfertigungs- und Entschuldigungsgründen, sondern behandelt diese Gründe gemeinsam unter dem einheitlichen Titel „Gründe, welche die strafrechtliche Verantwortung aufheben oder mildern“ (2. Abschnitt des Ersten Teils des türkischen StGB).3

Dagegen ist aus strafrechtspraktischen Gründen auch gar nichts einzuwenden, weil es für einen Angeklagten letztlich gleichgültig ist, ob er wegen eines zu seinen Gunsten wirkenden Rechtfertigungsgrundes oder wegen eines Entschuldigungsgrundes freige-sprochen wird. Das Ergebnis ist für ihn jeweils dasselbe. Und doch erleichtert die Diffe-
renzierung zwischen den beiden Arten von Gründen für einen Freispruch die Rechtsanwendung, weil sie in einem wichtigen Punkt Klarheit bringt: Gegen eine Handlung, die gerechtfertigt ist, darf man keine Notwehr üben, weil Notwehr nach deutschem und türkischem Recht nur dann ausgeübt werden darf, wenn der Angriff rechtswidrig ist. Gegen eine Handlung dagegen, die nur entschuldigt ist, darf Notwehr geübt werden, weil sie zwar entschuldigt, aber rechtswidrig ist. Das muss näher erläutert werden und wird sich vor allem gerade am Beispiel des sog. rechtfertigenden Notstandes einerseits und des ent-schuldigenden Notstands andererseits auch noch genauer zeigen lassen.