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Funktionsverschiebungen Zwischen Staat Und 
gesellschaft – Rechtliche Grenzen

Philip KUNIG

I. Vorbemerkung

Unser Kolloquium ist den Grundlagenfächern des Rechts gewidmet, demnach soll es zu Beginn über Verfassungsrecht gehen. Das ist begründungsbedürftig: Die Verfassungsrechtswissenschaft ist ein Grundlagenfach, steht insofern neben Rechtstatsachenforschung bzw. Rechtssoziologie, Rechtsgeschichte und Rechtsvergleichung, Rechtsphilosophie und Rechtstheorie. Die Verfassungsrechtswissenschaft unterscheidet sich zwar davon, weil sie sich mit geltendem Recht beschäftigt: Sie widmet sich, wie Zivilrecht oder Strafrecht oder Versicherungsrecht der Frage, wie zu einem bestimmten Zeitpunkt anhand eines Gesetzes, nämlich der jeweils aktuell geltenden Verfassung konkrete Rechtsfragen zu beantworten sind. Aber die Verfassungsrechtswissenschaft hat mit den anderen genannten Grundlagenfächern gemeinsam, dass sie die gesamte Rechtsordnung betrifft. Das gilt übrigens auch für Teile der Völkerrechtswissenschaft.

Eine solche Bemerkung hat nichts zu tun mit einem Expansionismus der Verfassungsrechtler, wie manchmal gemeint wird. Natürlich sind die anderen Rechtsgebiete fast alle älter als das Verfassungsrecht, die ihnen gewidmeten rechtswissenschaftlichen Bemühungen sind oft differenzierter, tiefer gehender und systematisch auch überzeugender als die Ergebnisse der Verfassungsrechtswissenschaft. Doch ist das nicht entscheidend. Entscheidend ist, dass das Verfassungsrecht allen anderen Teilrechtsordnungen gegenüber übergeordnet ist und deshalb Vorrang beansprucht. Es steht in der innerstaatlichen Normenhierarchie an oberster Stelle, nur das internationale Recht steht noch darüber.

Einen Vorrang vor allem sonstigem Recht nehmen im Grundsätzlichen wohl alle Verfassungen der Welt für sich in Anspruch. Trotzdem sind die Konsequenzen höchst unterschiedlich. Das wiederum erklärt sich zum einen daraus, dass Verfassungen, wie vergleichende Forschung zeigt, in höchst unterschiedlichem Maße konkret sind. Manche beschränken sich auf eine bloß rahmensetzende Funktion, lassen dem unterverfassungsgesetzlichen Recht, dem sog. einfachen Recht damit Entwicklungsmöglichkeiten in ganz unterschiedliche Richtungen, determinieren es nicht inhaltlich. Sie lesen sich im Grunde wie Programme politischer Parteien, mit denen sich mehr oder weniger jeder identifizieren kann. Hinzu kommt, dass es vielen Verfassungsrechtsordnungen an wirksamen Umsetzungsmechanismen zur Sicherung der Verfassungsmäßigkeit des einfachen Rechts bzw. seiner verfassungsmäßigen Interpretation fehlt. Es gibt Verfassungen ganz ohne Verfassungsgerichtsbarkeit, wie in Japan, und solche, welche die vorhandenen normalen Gerichte nicht dazu verpflichten, ihrerseits und selbständig auf die Verfassungsmäßigkeit der Rechtsordnung zu achten, wie in China.