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Die Reichweite und Grenzen der Gewährleistungen des Artikel 6 EMRK am Beispiel des Urteils „M. / Niederlande” vom 25.07.2017, Nr. 2156/10

25.07.2017 Tarihli ve 2156/10 Başvuru No.lu M. / Avusturya Kararı Örneğinde AİHS 6. Maddesinin Kapsamı ve Sınırları

Maximilian KLOSS

Das Urteil behandelt einzelne Ausprägungen der Garantien des Art. 6 EMRK. Dabei ist stets vom Einzelfall auszugehen. Die Überprüfung der Konformität mit den Gewährleistungen der Konvention erfolgt anhand einer Gesamtbetrachtung. Das Recht auf eine effektive Verteidigung, welches in Art. 6 I, III lit. c) EMRK verankert ist, erfordert eine freie Kommunikation mit dem jeweiligen Anwalt. Dabei kann eine etwaige Verschwiegenheitspflicht grundsätzlich berücksichtigt werden. Dies allerdings nur, soweit eine ausreichende Verteidigungsmöglichkeit gewährleistet wird. Bezüglich des Einbringens von Beweismitteln seitens der Verteidigung ist relevant, dass diese nicht auf einer ungesicherten Grundlage beruhen. Sie müssen geeignet sein, Zweifel an der eigenen Schuld hervorzurufen. Auch bei der Schwärzung von potentiellen Beweismitteln muss die Schlüssigkeit beziehungsweise die Aussagekraft des Beweisstückes in die rechtliche Prüfung miteinbezogen werden.

Art. 6 EMRK, Verschwiegenheitspflicht, Schwärzung von Dokumenten, effektive Verteidigung, Anforderungen an Beweismittel.

The judgement is about the guarantees of Article 6 ECHR. It is always necessary to analyze the individual case. An overall view is decisively. Article 6 § 3 c ECHR guarantees a free communication between the defendant and his counsel. The European Court of Human Rights decided that a professional secrecy can be considered, if an effective defense is guaranteed. The evidence adduced have to be based on secure facts which are able to create doubts concerning the guilt of the defendant. It is essential to examine whether the documents which were made available are suitable to prove the violation of the professional secrecy.

Article 6 ECHR, Professional Secrecy, Censorship of Documents, Effective Defence, Evidence Requirements.

A. Sachverhalt

Der Beschwerdeführer, welcher als Tontechniker und Übersetzer für den Allgemeinen Geheim- und Sicherheitsdienst in den Niederlanden tätig war, rügte eine Verletzung des Art. 6 der Europäischen Menschenrechtskonvention. Als Mitarbeiter des Geheimdienstes stand ihm der Zugang zu Informationen frei, welche einer Geheimhaltungspflicht unterlagen. Im September 2004 erfolgte eine Untersuchungshaft nebst Anklage. Es bestand der Verdacht, dass Kopien geheimer Dokumente an Unbefugte weitergegeben wurden. Dem Beschwerdeführer wurde seitens des Geheimdienstes auferlegt, dass er weiterhin zur Geheimhaltung verpflichtet sei. Zuwiderhandlungen würden eine Straftat darstellen. Die Aufrechterhaltung der Verschwiegenheitspflicht galt insbesondere bezüglich der Beratung mit dem Anwalt des Beschwerdeführers, wobei die Geheimhaltungspflicht insofern gelockert wurde, als lediglich solche Informationen als geheim gehandhabt werden mussten, welche die Identität der Mitarbeiter des Geheimdienstes betrafen. Die Verteidigung beantragte erfolglos die einschränkungslose Vorlage der angeblich weitergegebenen Dokumente. Die Dokumente wurden jedoch stellenweise geschwärzt. Des Weiteren wurden Zeugenaussagen beschränkt, da die Zeugen wiederum als Mitglieder des Allgemeinen Geheim- und Sicherheitsdienstes der Verschwiegenheitspflicht unterlagen. In rechtlicher Hinsicht ist fraglich, ob diese Gegebenheiten mit den Gewährleistungen des Artikel 6 EMRK vereinbar sind.

Art. 6 EMRK ist Ausdruck zahlreicher Mindestgarantien, welche als Grundlage eines rechtsstaatlich geprägten Verfahrens fungieren.1 Insbesondere der hier relevante dritte Absatz des Art. 6 EMRK führt Beschuldigtenrechte auf, die den Fairnessgrundsatz konkretisieren, wobei die Aufzählung nicht abschließend ist.2 Der Begriff des strafrechtlichen Verfahrens unterliegt grundsätzlich nicht einer innerstaatlichen, sondern folgt einer autonomen Betrachtung durch den EGMR.3 In zeitlicher Hinsicht ist zu beachten, dass der Schutzbereich von der Bekanntgabe des Schuldvorwurfs im Ermittlungsverfahren an bis zum Abschluss der Rechtsmittelinstanz eröffnet ist.4 Schließlich beurteilt der EGMR die Fairness des Verfahrens im Wege einer Gesamtbetrachtung.5 Im Folgenden werden einzelne Gewährleistungen dieser äußerst wichtigen Garantie im Lichte des Urteils kritisch gewürdigt.

Art. 6 I, III lit. b) EMRK gewährleistet, dass jede angeklagte Person ausreichend Zeit und Gelegenheit zur Vorbereitung ihrer Verteidigung hat. Fraglich ist, ob die stellenweise erfolgte Schwärzung der angeforderten Dokumente mit dieser Garantie vereinbar ist. Ausgangspunkt ist dabei der dem Beschwerdeführer gemachte Vorwurf. Dieser liegt in der angeblichen Verletzung der Verschwiegenheitspflicht. Die Widerlegung dieser Verletzung liegt im Interesse der Verteidigung. Daher ist ausschließlich die Frage relevant, ob die Dokumente Anhaltspunkte enthielten, dass die darin enthaltenen Informationen solche sind, die dem Staatsgeheimnis unterlagen. Dies war der Fall. Infolgedessen stellt der EGMR fest, dass eine vollständige Preisgabe des in den Dokumenten enthaltenen Inhalts keine andere Bewertung nahelegen würde. Somit kristallisiert sich heraus, dass eine vollständige Zurverfügungstellung nicht zielführend gewesen wäre. Im Umkehrschluss bedeutet dies aber auch, dass mit der Schwärzung der Dokumente keine Beschneidung des Rechts auf eine ausreichende Gelegenheit zur Vorbereitung der Verteidigung gemäß Art. 6 I, III lit. b) EMRK einhergeht.