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Einführender Überblick über die Wiederaufnahme im deutschen Strafverfahren

Karl Heinz GÖSSEL

Erlauben Sie mir, mit einem Beispiel aus England zu beginnen. Vor einigen Jahren, an die genaue Zeit und die genauen Quellen kann ich mich nicht mehr erinnern, wurde in der deutschen Presse von einem bemerkenswerten Fall berichtet. Ein Mann wurde von der Anklage freigesprochen, eine Frau ermordet zu haben, deren Leiche nicht auffindbar war. Nach dem in Rechtskraft erwachsenen Freispruch veröffentlichte der Freigesprochene mit erheblichem finanziellen Erfolg ein Buch mit dem bemerkenswerten Titel: „How I did it“ - wie ich es gemacht habe. Darin beschrieb er die Tötung dieser Frau und auch, dass er deren Leichnam zerstückelt, die Leichenteile in Pakete verpackt, in einen Hubschrauber verladen und anschließend über dem Atlantik ins Meer geworfen habe. Strafrechtlich war diese Veröffentlichung für den Täter folgenlos: In England war jedenfalls zum damaligen Zeitpunkt ein Freispruch nicht mehr angreifbar.

Hätte sich dieser Fall in Deutschland ereignet, wäre der Täter erneuter Strafverfolgung ausgesetzt gewesen. Während ein Freispruch in vielen Ländern dieser Welt, und so auch in England, nicht mehr angefochten werden kann, ist die Rechtslage in Deutschland anders. Hier hätte der Freispruch des Täters zu dessen Ungunsten mit dem Rechtsbehelf der Wiederaufnahme des Verfahrens angefochten werden können: § 362 Nr. 4 StPO sieht die Wiederaufnahme des Verfahrens zuungunsten des Freigesprochenen u.a. für den Fall vor, dass der Freigesprochene auch außergerichtlich ein glaubwürdiges Geständnis der Straftat abgelegt hat.

Strafrichterliche Urteile sind also im deutschen Strafprozess auch dann angreifbar, wenn sie mit Rechtsmitteln nicht mehr angegriffen und auch inhaltlich nicht mehr abgeändert werden können und also die Strafklage verbraucht ist: sie also in formelle wie auch materielle Rechtskraft erwachsen sind - allerdings nur in den Fällen, die in den §§ 359 und 362 StPO ausdrücklich benannt sind. Angriffsmittel ist der Rechtsbehelf der so genannten Wiederaufnahme des Verfahrens, der kein Rechtsmittel ist: Weder hindert die Einlegung dieses Rechtsbehelfs die Vollstreckung des so angefochtenen Urteils (§ 360 StPO) noch wird darüber, wie die Zuständigkeitsregelung in § 140a GVG normiert, von einem höheren Gericht entschieden als dem, das die angefochtene Entscheidung erlassen hat: Dem Rechtsbehelf der Wiederaufnahme des Verfahrens kommen also weder Suspensiv- noch Devolutiveffekt zu, Effekte also, welche den Rechtsmitteln wesentlich sind. Ein Weiteres zeigt unser Beispiel: Die Wiederaufnahme des Verfahrens des deutschen Strafprozesses ist nicht nur zugunsten des wegen einer Straftat Verurteilten zulässig, sondern auch zuungunsten eines Freigesprochenen.

Im folgenden möchte ich nunmehr auf das Verfahren selbst und dessen drei Stadien eingehen: Zunächst das Zugangsverfahren, das zumeist, abgeleitet von dem lateinischen Verbum „adire“ (sich bittend oder fragend an jemanden wenden), als so genanntes Aditionsverfahren bezeichnet wird, in dem die Zulässigkeit dieses Rechtsbehelfs überprüft wird, also das Vorliegen aller Voraussetzungen für die Durchführung des Wiederaufnahmeverfahrens. Liegen diese vor, so schließt sich an dieses Aditionsverfahren das so genannte Probationsverfahren an, in dem die Begründetheit des Wiederaufnahmebegehrens geprüft wird und an das sich, falls die Begründetheit bejaht wird, ein neues Sachentscheidungsverfahrens anschließt.

A. Das Aditionsverfahren

In diesem Verfahrensstadium wird untersucht, ob die Durchführung des beantragten Wiederaufnahmeverfahren zulässig ist. Zu unterscheiden sind drei verschiedene Arten der Zulässigkeitsvoraussetzungen: Prozessvoraussetzungen oder Prozesshindernisse des vorausgehenden Verfahrens, das zu der rechtskräftigen Sachentscheidung führte, die mit der Wiederaufnahme angefochten wurde, ferner die allgemeinen Prozessvoraussetzungen der Wiederaufnahme selbst wie etwa die gerichtliche Zuständigkeit und die Verhandlungsfähigkeit des Beschuldigten und endlich die in den §§ 359 ff. StPO normierten speziellen Zulässigkeitsvoraussetzungen der Wiederaufnahme. Wegen der notwendigen Beschränkung dieses Überblicks können hier nur die letztgenannten speziellen Voraussetzungen des Wiederaufnahmeverfahrens selbst erwähnt werden.

Mit der Wiederaufnahme des Verfahrens stellt die StPO einen Rechtsbehelf bereit, mit dem die Rechtskraft gerichtlicher Sachentscheidungen durchbrochen werden kann. Auf diese Weise können Konflikte gelöst werden, die zwischen der inhaltlichen Richtigkeit gerichtlicher Entscheidungen und damit der Gerechtigkeit im Einzelfall einerseits und der durch die Rechtskraft begründeten Rechtssicherheit andererseits entstanden sind. Taugliche Gegenstände eines Wiederaufnahmeverfahrens können daher nur rechtskräftige Sachentscheidungen sein: Solange Sachentscheidungen noch mit Rechtsmitteln angefochten werden können, ist das Wiederaufnahmeverfahren unzulässig.

Bei der Teilrechtskraft können sich deshalb Probleme ergeben, weil unterschiedliche Entscheidungen in Rechtsmittelverfahren einerseits und im Wiederaufnahmeverfahren andererseits nicht mehr undenkbar werden. Indessen ist dieses Problem jedenfalls für die Rechtsprechung gelöst; Im Fall der vertikalen Teilrechtskraft der Entscheidung über nur einzelne von verschiedenen selbständigen Taten wird die Wiederaufnahme schon seit langer Zeit für zulässig erachtet, und die neuere Rechtsprechung entscheidet nunmehr ebenso bei der horizontalen Teilrechtskraft und lässt die Wiederaufnahme auch gegen den rechtskräftig gewordenen Schuldspruch zu, auch wenn über den Rechtsfolgenausspruch im Rechtsmittelverfahren noch zu entscheiden ist.